Kinderphysiotherapie

Heike Hermes ist Physiotherapeutin und kümmert sich im EVK Lippstadt ausschließlich um die kleinen und ganz kleinen Patientinnen und Patienten. Sie behandelt Kleinkinder, Säuglinge und auch Frühchen – manchmal schon vom ersten Lebenstag an. 

 

Bei den ganz kleinen, oft sehr unruhigen Frühchen geht es in der Hauptsache darum, Ruhe in den Körper zu bringen. Da reicht es, dass sie den Druck meiner Hand auf ihrem kleinen Körper spüren.

 

„Hallo Prinzessin.“ Heike Hermes begrüßt Levke, sieben Monate alt. Levke strahlt. Einmal in der Woche hat sie diesen Termin bei Heike Hermes im EVK Lippstadt, zusammen mit ihrer Zwillingsschwester Merle. Levke und Merle sind Frühchen, kamen in der 30. Schwangerschaftswoche auf die Welt und haben sich in den letzten sieben Monaten bestens entwickelt. „Die eine ist bequem. Die andere quicklebendig“, beschreibt Mutter Sabine ihren Nachwuchs.

Levke und Merle kennen Heike Hermes schon ihr ganzes Leben. Bereits auf der Kinderintensivstation, einen Tag nach ihrer Geburt, hatten die beiden die erste Physiotherapiebehandlung. „Kinder, die vor der 36. Schwangerschaftswoche zur Welt kommen, brauchen Physiotherapie“, erzählt Heike Hermes. Der Grund: Der motorische Plan der Kinder ist bei der frühen Geburt noch nicht ausgereift. Da sind zum Beispiel Defizite im Gleichgewichtssinn oder beim sogenannten Hand-Mund-Kontakt. „Stellen Sie sich vor, Sie haben wochenlang den Mutterleib als schützende Begrenzung erlebt und liegen jetzt plötzlich in einem für ihr Empfinden fremden und riesigen Inkubator. Mit dieser Weite muss ein Frühchen umgehen lernen“, versetzt sich Heike Hermes in die Gefühlswelt ihrer kleinen Patienten. Patienten, die manchmal weniger als 700 Gramm wiegen. Eine Handvoll Mensch.

„Ich stimuliere behutsam Muskeln und Bewegungsabläufe, übe Druck auf Levkes Körper aus.“ Heike Hermes erklärt, was sie heute mit Levke macht. Das kleine Mädchen wog bei der Geburt 1.200 Gramm, Zwillingsschwester Merle 500 Gramm mehr. Heike Hermes: „Bei den ganz kleinen, oft sehr unruhigen Frühchen geht es in der Hauptsache darum, Ruhe in den Körper zu bringen. Da reicht es, dass sie den Druck meiner Hand auf ihrem kleinen Körper spüren.“

 

Wie weiß Heike Hermes, was ihre besonderen Patientinnen und Patienten brauchen? Da ist natürlich die enge Zusammenarbeit mit den Ärzten und den Kinder- und Kinderintensivkrankenschwestern auf den Stationen. Aber da ist vor allem ganz viel Berufserfahrung: „Genaue Beobachtung, Körpersprache richtig deuten, Einfühlungsvermögen“, beschreibt die Physiotherapeuten drei wichtige Pfeiler ihrer Arbeit. „Auch ein Frühchen kann mir mitteilen, jetzt wird es mir zu viel.“

Heike Hermes hat sich mit vielen Weiterbildungen zur Kinderphysiotherapeutin qualifiziert. „Erwachsene haben schon ihre Geschichte. Meine Patienten fangen gerade erst an, ihre Geschichte zu schreiben“, beschreibt sie die Motivation für ihre Arbeit. „Die Richtung dieser Geschichte kann ich mit beeinflussen.“ Auch bei Patienten, wie Levke und Merle.

Levke, die Quicklebendige, lernt von Heike Hermes langsam, ihre Motorik besser zu koordinieren. Merle, die Bequeme, lernt, dass Bewegung Spaß machen kann und nützlich ist. 30 Minuten Physiotherapie pro Kind pro Woche. Levke und Merle bringt das an ihre Grenzen. „Das ist Höchstleistung für meine Zwillinge. Sie sind nach dem Besuch bei Heike Hermes komplett erledigt,“ weiß Mutter Sabine inzwischen aus Erfahrung.

Bei den Frühchen auf Station dagegen dauert eine Physiotherapieeinheit nur wenige Minuten täglich. Heike Hermes ist jeden Morgen auf der Kinderintensiv- und der Kinderstation im EVK Lippstadt unterwegs. „Es geht darum, die richtigen Bewegungsabläufe immer wieder zu trainieren, um Bewegungsstörungen zu korrigieren. Das Gesamtpaket macht dann die Wirkung aus“, zieht Heike Hermes nach 20 Jahren Berufserfahrung Bilanz. Können die Kinder robben oder krabbeln, gibt sie ihre kleinen Patientinnen und Patienten an die Kollegen in den Physiotherapiepraxen außerhalb des Krankenhauses ab.

Es gibt Tage, an denen Heike Hermes bei ihrer Arbeit an ihre Genzen kommt. Frühchen, nur wenige hundert Gramm schwer, Kinder auf der Kinderintensivstation – das gehört mit zum Arbeitsalltag der Physiotherapeutin. „Das wird nie Routine“, sagt Heike Hermes. „Schwerkranke Kinder gehören mit zu meinen Patienten. Natürlich geht mir so ein Schicksal sehr nah. Doch wir haben schon so viele Erfolgsgeschichten geschrieben. Ich habe Tag für Tag Respekt davor, was wir und die Medizin in der Kinderheilkunde erreichen können.“